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Von Wassertankern und Schleuserbanden

Im Haus der Demokratie erzählt Ines-Andrea Reinhold von Drüben von ihrer Zeit in der damaligen DDR und den vielen gescheiterten Fluchtversuchen ihrer Familie

Ines-Andrea Reinhold von Drüben erzählte im Haus der Demokratie die spannende Fluchtgeschichte ihrer Familie. Foto: Marketingagentur Tenambergen
Ines-Andrea Reinhold von Drüben erzählte im Haus der Demokratie die spannende Fluchtgeschichte ihrer Familie. Foto: Marketingagentur Tenambergen

An die deutsche Wiedervereinigung erinnern soll der Tag der Deutschen Einheit. 2019 ist es genau 30 Jahre her, dass die Mauer zwischen West- und Ostdeutschland gefallen ist. Im Kaufbeurer Haus der Demokratie erzählten Rechtsanwältin Ines-Andrea Reinhold von Drüben und Oberbürgermeister Stefan Bosse ihre ganz eigenen Geschichten der Flucht aus der damaligen DDR. Der Einladung auf einen interessanten Vormittag waren viele Besucher aus Kaufbeuren und Umgebung gefolgt, um gebannt den Erzählungen zu lauschen und bei einem Weißwurst-Frühstück zum Feiertag ins Gespräch zu kommen.

Vor rund 40 Jahren war ihre Familie mit einem Auto samt kleinem Wohnanhänger unterwegs, erzählte von Drüben. Damit die Flucht zustande kommt, tarnten sich die Familienmitglieder stets als Touristen. Doch mehrere Male sollte die Flucht nicht gelingen. Von insgesamt 13 Fehlversuchen berichtete die heute 57-jährige Zeitzeugin. Was die Familie dabei erlebte, ist schier unglaublich. So trafen sie etwa auf eine Schleuserbande, die sie angeblich über die grüne Grenze bringen sollte. Tatsächlich waren die Schleuser aber auf die Wertsachen der Familie aus, versuchten Auto samt Anhänger zu stehlen und hätten sie vermutlich auch umgebracht, erzählte von Drüben im Haus der Demokratie. Doch die Familie gab nicht auf: Bei einem weiteren Fluchtversuch trafen sie auf Menschen, die zwar die Familie über die Grenze bringen, aber die Tochter an den dortigen Bürgermeistersohn verheiraten wollten, ein andermal unternahmen sie einen Versuch, sich auf der Donau von einem Transportanker auf die andere Flussseite ziehen zu lassen.

„Es ist unglaublich, was Menschen alles auf sich nehmen, um sich den Traum und den Wunsch nach Freiheit zu erfüllen“, bekräftigte die 57-Jährige mit Blick auf die vielen Menschen, die ebenfalls versucht hatten, aus der damaligen DDR zu fliehen. Einigen gelang diese Flucht auch. Eine solche Geschichte konnte Oberbürgermeister Stefan Bosse aus der eigenen Familie berichten. Sein Vater hatte als junger Mann die Flucht beschlossen. Er nutzte einen Arbeitsauftrag im Grenzbereich, um im Dunkel der Nacht ins Westgebiet zu laufen. Als die Westpolizei ihn schließlich aufgriff, stellte sich heraus, dass auch zwei seiner Kollegen die Flucht über die, damals noch weniger scharf gesicherte, Grenze gewagt hatten. Keiner hatte sich getraut, den anderen von seinen Fluchtplänen zu erzählen. Daran sehe man, wie groß das Misstrauen damals war. „Man sieht aber auch, wie groß die Sehnsucht war“, so Bosse.

Die Familie von Ines-Andrea Reinhold von Drüben indes gab ebenfalls nicht auf. Der nächste verwegene Plan war der Bau eines Flugzeugs, mit dem die Familie über die Grenze fliegen sollte. Doch auch dieser Versuch scheiterte an einem Materialschaden. Die Stasi beschlagnahmte das Flugzeug, es folgten Verhör und Inhaftierung. In den folgenden zwei Jahren verklage die Familie die DDR, forderte das Flugzeug zurück. Dann endlich die Erlösung: 1982 wurde die Familie ausgewiesen. „Honecker hat wohl gemerkt, dass unsere Familie nicht aufhören wird, für Aufruhr zu sorgen“, erklärte von Drüben mit einem Augenzwinkern. Nach all diesen Erlebnissen sei es ihrer Familie ein wichtiges Anliegen, sich für die Geschichte und gegen das Vergessen einzusetzen, so die Referentin. Auch ihre Eltern und ihr Sohn waren deshalb mit ins Haus der Demokratie gekommen, um über die Erlebnisse zu sprechen.

Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke (CSU) zeigte sich beeindruckt von den Erzählungen der Familie. Zum Glück hätten junge Menschen in Deutschland heutzutage keine Ahnung wie es sei, in Unfreiheit oder in einer Diktatur zu leben, betonte er. „Doch gerade deshalb ist es wichtig, ihnen zu zeigen, was es eigentlich bedeutet, in Frieden und Freiheit zu leben.

Das „Haus der Demokratie“ ist ein Projekt der Stadt Kaufbeuren, Abteilung Kaufbeuren-aktiv, im Rahmen des Programms "Demokratie leben!" mit großer Unterstützung des Stadtjugendrings Kaufbeuren.
 

 

Mehr Informationen unter:
www.kaufbeuren-aktiv.de/haus-der-demokratie